Der schmiedeeiserne Verschlag zeugte von grosser Kunst und dem unbedingten Willen, das dahinter Verborgene würdevoll zu beschützen. Sie stand vor den gedrehten Pfeilern, verbunden durch getriebene Blütenblätter, alles ganz in trauerndem Schwarz. Sie bewunderte die Handwerksarbeit, geleistet in der Hitze der Esse, die den Schmied zum Schwitzen brachte und er das Eisen darin fast zum Schmelzen, gerade noch davor entzog er es der Glut. Gleissende Hammerschläge des mächtigen Schmieds auf die feuerroten Stäbe, sie zu biegen und zu drehen, gefolgt von kurzen Ausläufern auf den Amboss, auf dem der Hammer vor den nächsten Schlägen ruhte.
Erst beim zweiten Blick nahm sie wahr, was sich hinter den kunstvollen Gittern verbarg. Lauter Totenköpfe lagen auf ihren letzten Ruhestätten, Regalen aus Stein, den der Metz dem Berg abgerungen hatte. Dem Berg, mit dem die Verstorbenen ihr Leben verbracht hatten. Ihre Schädel, fein säuberlich gereinigt, mit hohlen Löchern, dort wo einst ihre Augen die Welt erblickten und nichts als Knochen, wo einst ihre Lippen Worte formten und Küsse spürten. Diese Köpfe, statt unter der Erde zum Verrotten zu vergraben, hatten ihre Nachkommen mitten im Dorf, im Geschehen des Lebens, wohl behütet gebettet, um ihre Ahnen unter sich zu wissen.
Sie stand da und vor ihren Augen tauchten Bilder auf, alle in diesem abgeschlossenen Raum, geschützt durch die Eisengitter, als könnten sie trotz den Luftfenstern darin nicht entfliehen. Menschen sahen einander an, ruften einander zu. Ernste Gesichter, schwere, dunkle Kleidung, von Arbeit und Not geprägte Gesichter. Da und dort ein scheues Lächeln, kurz nur, als sei es nicht erlaubt.
Durch das offene Kirchenfenster drang feierlicher Gesang des Kirchenchors und einen Augenblick lang glaubte sie, die Toten reichten sich die Hand zum Tanz.
Ein schöner subtil erzählter Text, gefällt mir…
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Danke, Ernst!
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